Klaus Madlowski und Andreas Martin

Gedenkstätte für
die Synagoge Schwerte (1995)

Ehemalige Synagoge Schwerte, Große Marktstraße

Klaus Madlowski (*1956 in Hannover) hat das Projekt für Schwerte zusammen mit dem Architekten Andreas Martin (1963 – 2016) entwickelt. Die Ursprünge der Synagoge in Schwerte gehen auf das Jahr 1854 zurück. Damals kaufte J. Reifenberg, ein jüdischer Geschäftsmann aus Schwerte, das Küsterhaus der dortigen reformierten Gemeinde. Das Haus wurde noch im selben Jahr zur Synagoge umgebaut und eingeweiht. Ehe es 1898 ein eigenes Schulgebäude für die Kinder jüdischer Familien gab, wurde auch hier Religions- und Elementarunterricht erteilt.

Im Rahmen der zunehmenden Industrialisierung wuchs der Anteil der jüdischen Bevölkerung in Schwerte auf 195 Personen an. Kaufleute wie die Gebrüder Stein mit ihrer Textilmanufaktur oder der Herrenausstatter Bernhard Stern waren selbstverständlich mit ihren Geschäften im Stadtbild vertreten.

Die Gedenkstätte für die Schwerter Synagoge kurz nach der Fertigstellung
Foto: Klaus Madlowski

In der Progromnacht vom 9.11.1938 legten nationalsozialistisch gesinnte Bürger aus Schwerte Feuer in der von dem Schwerter Architekten Carl Schmitz gerade renovierten Synagoge und beschädigten das Gebäude so stark, dass es nicht weiter genutzt werden konnte. Die 1933 noch aus 60 Familien bestehende jüdische Gemeinde existierte fortan nicht mehr, über 50 jüdische Bürger von Schwerte wurden in verschiedenen Konzentrationslagern ermordet. In einem 1994 von der Stadt Schwerte ausgeschriebenen Wettbewerb war das notdürftig wieder hergerichtete und provisorisch von Roten Kreuz genutzte Gebäude der Ausgangspunkt für die künstlerische Umgestaltung zu einer Gedenkstätte.

1944/45 gab es in Schwerte-Ost ein Nebenlager des KZ Buchenwald. Hier haben bis zu 700 Gefangene für das Reichsbahnausbesserungswerk gearbeitet. An der dortigen Gedenkstätte erinnert heute eine Skulptur von Horst Wegener an die Gräuel der NS-Zeit.

Das beim Wettbewerb eingereichte und mit dem Ersten Preis ausgezeichnete Modell der Gedenkstätte. (Foto: Klaus Madlowski)

Klaus Madlowski und Andreas Martin ist nur zu klar, dass die von den Nationalsozialisten geschaffenen Fakten gegenüber den jüdischen Mitbürgern nicht mehr zu ändern sind. Auch jede Beschönigung der historischen Tatsachen liegt ihnen fern. Daher nehmen sie auch am noch vorhandenen Baubestand der früheren Synagoge keine Veränderungen vor. Es wird lediglich die waagerechte Deckplatte mit einem verzinkten Stahlband umgeben und mit einem grau-schwarzen Schotter bedeckt.

Vor den alten Gebäudesockel stellen sie - wie eine Skulptur - eine rechteckige Plattform, die von beiden Schmalseiten über eine Treppe zu betreten ist. Das Geländer der Treppen verläuft weiter entlang der Plattform, sodass der Eindruck entsteht, es handle sich bei dem Objekt um eine Brücke und einen Zugang zu der Schotterfläche. Doch eine Verbindung zu der Fläche der ehemaligen Synagoge gibt es nicht.

Man kann diese Fläche nicht betreten wie irgendeinen anderen Ort in dieser Stadt. Das heißt auch, man kann nicht so tun, als sei hier nichts Grauenvolles vorgefallen. Die Abtrennung von der Normalität, die Schwerter Bürger ihre jüdischen Mitbürger gewalttätig erzwungen haben, bleibt hier erhalten als Mahnung an die Gegenwart.

Und dennoch: Wer die Einladung annimmt, die Treppe hinaufzusteigen, befindet sich auf der Höhe des Schotterfeldes und hält – gewollt oder ungewollt – einen Augenblick inne beim Blick auf die von hier zu sehende Gedenktafel, die über die Geschichte dieses Ortes informiert. Jährlich findet am 9.November auf dem Synagogenplatz eine Gedenkfeier statt, zu der Schwerter Friedensinitiative, Pax Christi, Oekumene-Arbeit und das Schwerter Bündnis „Gegen Rechts“ die Bürger der Stadt einladen.

Lebensdaten

Klaus Madlowski

1956 in Hannover geboren
1977-79 Berufsausbildung als Werbegestalter
1979-84 Studium, Universität Hannover: Farbtechnik und Raumgestaltung, Germanistik, Psychologie
1985-89 Tätigkeit als Lehrer an Berufsbildenden Schulen in Salzgitter und Hannover
seit 1989 Lehrauftrag für Experimentelles Gestalten Leibniz Universität Hannover (Fakultät für Architektur und Landschaft); Akademischer Rat
seit 2006 Mitglied im Vorstand des cgl (Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur) an der Leibniz Universität Hannover
seit 2010 Leitung der Abteilung Experimentelles Gestalten und Modellieren
Klaus Madlowski lebt und arbeitet überwiegend in Hannover.

Andreas Martin

1963 - 2016
Andreas Martin war im Hauptberuf Architekt und gehörte zum Team der pgn (Planungsgesellschaft Nord) in Rotenburg
In seinem architektonischen Schaffen galt seine besondere Aufmerksamkeit gesellschaftlichen Randgruppen.
Mit diesem speziellen Blickwinkel auf die Gesellschaft war er auch 1995 an der Umgestaltung des Schwerter Synagogenplatzes zur Gedenkstätte beteiligt.
2012 wurde das von ihm geplante Projekt Cafesitobar, ein Bürgerzentrum für Menschen mit Behinderung in Rotenburg eröffnet.
Neben seiner architektonischen Tätigkeit war Andreas Martin auch künstlerisch tätig.

Künstlerische Intentionen (allgemein)

Klaus Madlowski arbeitet als Bildhauer in unterschiedlichen Materialien. Das Spektrum der Werke reicht von Kleinplastiken über Wandobjekte bis zu Kunst am Bau Projekten und Installationen im öffentlichen Raum so wie Entwürfen für Gedenkstätten, Plätze und Freiräume.

Der Arbeitsschwerpunkt von Klaus Madlowski liegt auf Installationen so wie auf Kunst im öffentlichen Raum. Als ein alle Arbeiten verbindendes Prinzip erscheint dabei die Gleichzeitigkeit von Vertrautheit und geradezu überraschender Verfremdung. Die kann durch Materialien entstehen oder durch starke Abstraktion. Bei Arbeiten im öffentlichen Raum ist die Zusammenarbeit mit Architekten und Landschaftsarchitekten ein Prinzip bei der Realisierung der skulpturalen Ideen.